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Nachlese // Protest muss stören

Foto der Online-Veranstaltung mit den Podiumsgästen und den Teilnehmenden als Kacheln, die meisten sind im Bild zu sehen.

Wie weit muss Protest gehen? So lautete die Frage bei der KDFB-Onlinediskussion.

01.12.2023

Maria 2.0, Verdi und die Letzte Generation: Protest will Menschen aufrütteln und zum Handeln bringen. Dabei ernten Aktivist*innen nicht nur Zuspruch, sondern auch persönliche Anfeindungen. Wie weit muss Protest gehen – für eine Kirche ohne Angst, gerechte Arbeitsbedingungen, für den Erhalt einer lebenswerten Welt? Darüber diskutierten Lisa Kötter, Mit-Initiatorin von Maria 2.0, Susanne Feldkötter, stv. Landesbezirksleiterin Verdi Berlin-Brandenburg, und Bernhard Seidler, Arzt und Aktivistin der Letzten Generation, am 9. November mit Moderatorin und KDFB-Bildungsreferentin Heike Neubrand und 30 Teilnehmenden online beim KDFB Berlin.

Kirchenstreik, ziviler Ungehorsam, Straßenblockaden

„Macht zu erhalten und zu missbrauchen, Geld anzuhäufen, wie die katholische Kirche es seit Jahrhunderten tut, widerspricht der jesuanischen Botschaft“, sagte Lisa Kötter. Deswegen habe sie im Mai 2019 mit anderen Katholikinnen die Reformbewegung Maria 2.0 gegründet und dazu aufgerufen, die katholische Kirche zu bestreiken. „Die wohl einzige Chance für die Kirche, wieder relevant zu werden, wäre, ihre Räume, Logistik und ihr Geld zur Verfügung zu stellen. Das fehlt den Menschen. Für mich wäre das Ziel, dass die Kirche all das den Menschen zurückgibt“, betonte Kötter.

Wenn es um Protest geht, ist Verdi ein etablierter Player. Die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft setzt sich seit 2001 für faire Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne ein. Für ihre rund 2 Millionen Mitglieder ist derzeit insbesondere die soziale Verteilungslage problematisch. „Viele haben Reallohnverluste durch hohe Stromkosten und Inflation“, sagte die stellvertretende Landesbezirksleiterin Verdi Berlin-Brandenburg Suanne Feldkötter. Da helfe das alte Motto: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“ Wie, wann und wo protestiert werde, bestimmen die Gewerkschaftsmitglieder.

Die Letzte Generation ist ein Bündnis von Klimaschutzaktivist*innen aus Deutschland und Österreich, das immer wieder durch medial wirksame Protestaktionen auffällt. Auch der Arzt Bernhard Seidler blockierte als Klimaaktivist Straßen in Köln und Berlin, mit anschließenden Strafverfahren. „Ich dachte immer, ich helfe als Arzt auch langfristig Menschen. Dann ist mir klar geworden, dass unsere Welt so wie jetzt nicht mehr lange existieren wird. Das war mein Imperativ zum Aktivismus.“

Schlaflose Nächte: Ab wann ist Protest wirksam?

Susanne Feldkötter ist seit 30 Jahren gewerkschaftlich aktiv. Sie kennt schlaflose Nächte von zahlreichen Generalstreiks und Tarifverhandlungen. Aber dranbleiben lohne sich: „Politische Bewegungen brauchen Fleiß und Wiederholung“, so Feldkötter. Denn wer Macht habe, gebe sie nicht gerne ab.

Das gilt im Besonderen auch für die Kirche: „Es gibt keine Demokratie in der katholischen Kirche“, so Kötter. Trotzdem habe Maria 2.0 etwas verändert, nämlich die Menschen: „Protest schafft Öffentlichkeit und Gemeinschaft. Diese schützen vor und befreien von der Angst.“

Ziel der Letzten Generation sei es, die Klimakrise ins Bewusstsein zu holen, damit wir nicht mehr verdrängen, wie sehr Menschen jetzt und in Zukunft am Klimawandel leiden, sondern gemeinsam politische Lösungen umsetzen, so Seidler. Aufmerksamkeit und Bekanntheit, aber auch die Begegnung zwischen Menschen, die sonst nicht miteinander in Kontakt kämen, Sympathie mit Protestierenden und Freisprüche von Richter*innen wie jüngst in Freiburg oder in Flensburg seien sichtbare Protesterfolge.

Keine Gewalt: Wo liegen Grenzen des Protests?

Kötter könnte es sich vorstellen, die Räume der Kirchen einzunehmen. Verdi streikt so lange, bis Gespräche in Gang kommen und macht notfalls dafür auch Flughäfen dicht. Gewalt aber verbiete sich, darin waren sich die Podiumsgäste einig. Auch wenn allein unsere (westliche) Lebensweise gewaltvoll sei, ergänzte Seidler: „Wozu uns dieses System nicht machen darf: zu Gewalttätern. Wir protestieren, weil wir nicht bereit sind, bestimmte Formen von Menschenrechtsverletzung und Ungerechtigkeit einfach hinzunehmen.“

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Der 1909 gegründete Katholische Deutsche Frauenbund Diözesanverband Berlin e.V. (KDFB Berlin) ist ein unabhängiger Frauenverband. Seine Mitglieder gestalten Politik, Gesellschaft und Kirche mit. Sie setzen sich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, geschlechtergerechte Bezahlung, die Förderung von Frauen in Führungspositionen und das Diakonat der Frau ein. Vorsitzende ist die Politikerin und langjährige erste Ausländerbeauftragte Berlins Prof. Barbara John.
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